Impulse!
Für die Zukunft unseres Ortes.
Kultur, Wirtschaft, Tourismus vernetzen sich.
Und alle machen mit.
Das »Restaurierungszentrum Neuenburg« - getragen vom Verein »Zentrum für Holz- und Möbelrestaurierung in Neuenburg e.V.« - steht in einer langen Tradition: Seit dem 18. Jahrhundert werden im friesischen Neuenburg am Rande des Neuenburger Urwalds handwerklich Möbel hergestellt und restauriert. Diedrich Müller begründete 1889 seine Werkstatt hier am Ort und fertigte Möbel nach regionalen Vorbildern. Die ausgedehnten Eichenwälder der Region, eine wohlhabende Kundschaft (Wilhelmshavener Offiziere und Beamte) sowie die überregionalen Absatzmöglichkeiten (Bahnanschluss 1896) ließen das Geschäft florieren. Das prägte den gesamten Ort. Eine große Zahl an Tischlern, Kunstschnitzern, Drechslern, Fuhrleuten ernährte sich in und um Neuenburg vom Möbelgeschäft. Bis heute liegt hier ein Schwerpunkt der Neuenburger Geschäftswelt - Möbel aus Neuenburg!
1904 baute sich Diedrich Müller ein neues Werkstattgebäude unmittelbar im Ortskern. Hier ist seit 2011 das Restaurierungszentrum beheimatet und steht für die wissenschaftlich fundierte Erhaltung und Vermittlung regionaler Sachkultur. Ziel war dabei von Anfang an eben nicht die Musealisierung eines historischen Gebäudes, sondern die lebendige Inwertsetzung: Ein »offenes Haus«, in dem ein wichtiger Teil der oldenburgisch-ostfriesischen Sachkultur erlebbar bleibt. Daher betreibt ein gemeinnütziger Verein die Einrichtung, nicht ein rein privatwirtschaflicher Restaurierungsbetrieb. Daher ist es das Haus kein klassisches Heimatmuseum. Hier arbeiten RestauratorInnen und Wissenschaftler, die im Ort bekannt und verankert sind und sich sehr bewusst als Vermittler verstehen.
In den vergangenen zwei Jahren (seit 2019) konnte ergänzend zur Restaurierungstätigkeit verstärkt der Vermittlungs- und Informationsgehalt der Einrichtung im Rahmen eines Ausstellungsprojektes gesteigert werden. Der immense kulturhistorische Schatz dieses inhaltlich wie materiell außergewöhnlich dicht überlieferten Werkstattensembles (neben der vollständigen historischen Werkstattaustattung u.a. eine mehrhundertteilige Sammlung regionaler Glasnegativaufnahmen aus der ersten Hälfte des 20. Jhs.), eingebettet in das nicht minder dichte kulturhistorische Umfeld Neuenburgs sowie die vielfachen natur- und kulturräumlichen Bezüge (Eichenholz) machen den Ort in dieser Konstellation einzigartig im ganzen Nordwesten.
Das Restaurierungszentrum hat sich immer deutlicher identifikatorischer Dreh- und Angelpunkt für die Neuenburger Tradition und das lokale kulturhistorische Selbstverständnis des Ortes herauskristallisiert. An zentraler Stelle im Ort berühren sich hier zwischen historischem Bahnhofsgebäude, Schlossbereich, Freilichtmuseum, Marktplatz, Gaststätten und (Möbel-)Geschäften sowohl historische als auch heutige Lebenswirklichkeiten. Hier verdichten sich kulturlandschaftliches Umfeld (Urwald, Holz), kulturelle Überlieferung (Möbel, Wohnkultur), spezifische Erwerbsstruktur (Handwerk/-handel), das Bewusstsein einer reichhaltigen Geschichte und das allgemein verbreitete Interesse der Bevölkerung fürs Bewahren und Lebendighalten eben dieser Bedingungen. Die Neuenburgerinnen und Neuenburger halten viel auf ihren Ort und sind bereit, sich für kulturelle Lebensqualität zu engagieren. Eine breite Vereinskulisse, rege Kulturinitiativen und tätige Bekenntnisse aus Handel und Gewerbe zeigen dies an.
Die zentrale Position des Restaurierungszentrums bzw. der Müllerschen Werkstatt im Ort sowohl in räumlicher als auch in mentaler Hinsicht und die hier gebündelte inhaltliche und fachliche Kompetenz zu Geschichte und Bedeutung des Ortes eröffnen in dieser Atmosphäre unschätzbare Möglichkeiten zur verstärkten Integration, Koordination und Kommunikation in zukünftigen kulturellen Gestaltungs- und Entwicklungsprozessen Neuenburgs wie der gesamten Friesischen Wehde. Das Restaurierungszentrum kann hier begründetermaßen Verantwortung übernehmen, um den besonderen Stellenwert Neuenburgs für die Kulturgeschichte der ganzen Region zu transportieren und so dem Erhalt des kulturellen Erbes aktiv Rechnung zu tragen.
Die bereits gegebene Vielfalt an Interessen und Angeboten im Ort bietet große Chancen. Die Träger dieser Vielfalt miteinander ins Gespräch zu bringen, gemeinsame Vorstellungen und Zielsetzungen zu entwickeln und in aufeinander abgestimmte, vernetzte, zeitgemäße Formate des Kulturerlebens und der kulturellen Bildung zu übersetzen, ist dabei die Herausfordrung. Es geht um partizipative Einbindung all jener, denen an der Kultur des Ortes gelegen ist, unter Ausnutzung der konzeptionellen Kompetenzen des Restaurierungszentrums.
Die Zahl und Art der Akteure sind dabei vielfältig. Das Niederdeutsche Theater Neuenburg, der Heimat- und Geschichtsverein als Betreiber des Freilichtmuseums, der Kunstverein Bahner, die Freunde des Neuenburger Holzes, der Gewerbeverein als Vertreter der örtlichen Wirtschaft, die Möbelhäuser, die Grundschule, zwei Kindergärten, die Freiwillige Feuerwehr, … sie alle haben ihre eigenen Bedürfnisse, Ideen und Kompetenzen für Kulturerlebnisse. Sie alle sind Teil der Neuenburger Kultur-Landschaft. Sie alle agieren mit eigenen Formaten im Bereich kultureller Bildung, Kulturvermittlung, Identitätsstiftung. Diese Vielfalt zu bündeln, im kreativen Miteinander zu verweben und im Zusammenspiel sich entfalten zu lassen, ist Zielsetzung des Projektes »Neuenburger Impulse«.
Der Gedanke des »Impulses« kommt nicht von ungefähr. Vieles ist schon angelegt, so manches findet statt. Häufig fehlt nur noch der sprichwörtliche »Schubs in die richtige Richtung«, ein kleiner Anstoß, um aus einem guten Ansatz ein tragfähiges Format zu machen. Das Projekt soll diese Impulse geben, Ideen vermitteln, Hilfestellung leisten, wie und wo man etwas im Sinne des Neuenburger Kulturerbes und der lokalen Identität unternehmen kann. So gehen Kulturförderung, Heimatpflege, kulturelle Bildung Hand in Hand mit der Steigerung von Lebensqualität und touristischem Potenzial – zur nachhaltigen Stärkung des ländlichen Raums.
Dies kann auch Vorbildcharakter für andere ländliche Akteure und Gemeinden haben: ausgehend von lokalen Besonderheiten die gemeinsame Initiative ergreifen und daraus etwas mit einer ganz eigenen Strahlkraft entwickeln. Ein Modellprojekt, wenn man so will.
Das Projekt hat mehrere Adressatenkreise: Grundlegend geht es natürlich um alle Zielgruppen kultureller Bildung. Damit sind letztlich alle Bevölkerungs- und Altersgruppen angesprochen, und zwar auf Seiten der Einheimischen als auch untern unseren Gästen. Als klarer definierbare Gruppe wäre darüber hinaus an Kinder und Jegendliche zu denken. Als Raum der außerschulischen Bildung bieten sich Müllersche Werkstatt und der gesamte Ort nachgerade für das ganzheitliche, heimatkundliche Lernen und Erleben an. Natürlich auch für Erwachsene.
Wichtig ist aber auch: Es geht um Impulse! Die Einwohner und Kulturschaffenden vor Ort sollen zu Mitwirkenden werden, sie sollen teilhaben und sich in das Projekt einbringen. Sie müssen letztlich auch die Arbeit machen. Dabei müssen es nicht immer die »üblichen Verdächtigen« des Kulturbetriebs sein, sondern eben auch diejenigen, die bisher vielleicht als Zuschauer oder »Zaungäste« dabei waren. Also: Partizipative Einbindung prinzipiell aller Neuenburgerinnen und Neuenburger; Schaffung von Formaten, bei denen nicht erst das Ergebnis, sondern schon der Prozess der Mitarbeit Teil des Erlebnisses ist. Das Ziel heißt daher nicht zuletzt Identifikation – mit dem Ort, mit seiner einzigartigen Kultur, mit der Idee, diese in eine lebendige Zukunft zu tragen, Strahlkraft entstehen zu lassen und damit eine Botschaft auszusenden: Vom Wert der kleinen Dinge für das Leben der Menschen nämlich und der großen Chance, die in ihrer Bewahrung liegt. Wenn diese Idee langfristig verfängt, hat das Projekt Erfolg gehabt.